Mein erster Ultralauf! Ich hatte das nicht so geplant, aber dann ging es irgendwie auch nicht anders und jetzt bin ich happy.

Es regnete in Pape, ein Ort an der Ostsee zwar, aber in the middle of nowhere. Nur ein schlechter Radweg führte dorthin, zum nächsten Zielort wäre eine ähnliche Katastrophe wie am Vortag zu erwarten – ein angeblicher Radweg, der streckenweise schlicht nicht vorhanden ist ansonsten holpriger Schotter, tiefer Sand oder modriger Schlamm. Der Wirt sagte, es gäbe überhaupt nur einen einzigen Weg (und das ist nicht der „tolle“ Weg auf den Schildern). Er verwies auf eine alte vergilbte Karte an der Wand, da war ein Weg drauf im Halbkreis um einen sumpfigem Weg herum bis auf eine Fernschnellstraße. Nicht ideal, aber immerhin ein Plan. Ich suchte diesen Weg in meinem Navi und dann gings los.

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Es regnete noch dazu erst strak, dann schwächer und ich fügte mich hochmotiviert meinem Schicksal: Schotter, Sand und dann der Sumpf. Bei aller Widrigkeit musman sagen: Es ist eine unglaublich schöne, wilde, unberührte Natur, auf 20 Quadratkilometer bei diesem Wetter außer mir kein Mensch, das ist schon toll und das wurde mir heute mehr als gestern bewußt.

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Auf den Fotos sieht man nur die sandigen Böden, später war es so naß, von oben wie von unten, mein Handy reagierte nicht mehr auf mich, ich schaltete es dann ganz aus und hatte eben die Eindrücke, ohne Fotos für später. Und die Eindrücke waren stark.

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Zum einen der Untergrund, es wurde immer torfiger und sumpfiger, schwarze extrem fruchtbare Erde abgrundtief, manchmal konnte man drauf gehen, zweimal brach ich bis zur Wade ein und hatte Probleme, den Fuß mit Schuh wieder an die Oberfläche zu kriegen. Mein Wagen fühlte sich an wie ein Kilometerstein, den ich hinter mir her schleifte. Die Räder hatte jegliche Funktion verloren – kein Platz. Viele Geländewagen und Traktoren hatten sich hier festgefahren.

Zum anderen die Natur: Urwald mit mannshohen Farnen, alle Sorten Bäume und Büsche, die diese dauernde Nässe lieben. Ich dachte mir noch so: das könnte in Estland bei den Bären auch so aussehen, aber ich glaube die lieben mehr trockenen Untergrund mit Blaubeeren. Und dann sah ich ihn: braunschwarzes zottiges Fell: kurzer Schreck, kein Bär, ein Keiler, bistimmt 60 Kilo. Er war genauso überrascht  wie ich, 10 Meter entfernt. Ich sagte dann: „na, ißte Dein Frühstück…“. Er war dann nochmal entsetzter, wahrscheinlich rechnete er mit einem langen, einseitigen Gespräch, und das noch auf deutsch. Jedenfalls flüchtete er schnurstracks durch diesen Urwald in Richtung des Sees. Unglaublich intensiv das ganze! Apropos Natur: ich weiß nicht, wie das geworden wäre, wenn es nicht geregnet hätte, den die Mücken freuten sich, daß endlich mal einer in diese Gegend kam. Wenn ich kurz hielt wegen Fotos oder um mich zu orientieren, saßen sie zu 20 auf den Waden und saugten. Beim laufen nicht so. Ich kann von gestern die Brennesseln, dagegen war das nicht zu merken.

Dann kam ausgedehntes  Reet, das wird hier auch geerntet, dazwischen ein Damm auf dem ich durch kniehohes Unkraut gehen und sogar laufen konnte. Das kühle Wetter macht es möglich, daß ich so aufdrehen konnte. Dann wieder Schotter und dann die Bundesstraße. Die 14 km hab ich in 1:45 bewältigt, immerhin. Dann kam die Schnellstraße A11 und das Schild Liepaja 35km. Sollte ich das versuchen? Immer noch besser als wieder zurück in die grüne Hölle. Es ist mein erster Ultra und es rollte gut!

Bis in die Stadt hatte ich bei km 45 sogar noch einen Gesamtschnitt von 9kmh (also genau 5:00). Aber dann mußte ich dauernd nach dem Weg fragen, die Leute verstanden mich nicht und das Internet wollte auch nicht mehr so richtig. Bei km 47 hab ich dann mein Navi ausgeschaltet, es wären eigentlich sogar 49 k. Ich bin soo happy damit, daß mal ausprobiert zuhaben und fühle mich nicht schlechter als nach einem Marathon. Cool.

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An der Stadtgrenze googlete ich mir das Beach Hostel, es liegt zwar nicht am Strand, aber schön zentral in einem alten Teil der Stadt für nur 12,50€ die Nacht in einem eigenen Zimmer mit Dusche. Es geht noch billiger im Gemeinschaftsraum ohne Dusche aber das muß vielleicht nicht sein. Ich traf hier einen Japaner aus Kioto, der die Baltischen Staaten bereist und sich dafür – völlig untypisch – drei Wochen Zeit nimmt.

https://www.liepajahostel.com/

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Die Stadt ist auf den ersten Blick nicht attraktiv, dann aber eben doch. Sie hat eine lange bedeutende Geschichte. Viele Häuser sind noch zu renovieren, werden aber bewohnt, die renovierten teuren Häuser finden keine Mieter. So ist es. Die Menschen sind unaufgeregt angenehm normal, auch sehr hilfsbereit bei kleinsten Anzeichen von Unsicherheit werde ich angesprochen und mir wird geholfen. Das ist schön, so empfangen zu werden.

Der Kracher war der Sonnenuntergang. Ich kam zwar nicht mehr bis ans Meer und im Hafen kommt dann ein militärisches Sperrgebiet, aber die Fotos sind auch so spektakulär.

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2 Gedanken zu “038 Pape – Liepaja (Ultra Lauf)

  1. Happy Birthday, Crazy! 😉
    zum Geburtstag hast Du Dir einen Ultra geschenkt- wie beachtlich! Ich bin froh, dass Deine heutige Begegnung „nur“ ein Keiler und kein Bär war, damit Du heute noch etwas feiern kannst (und wir uns über Deine Geschichten freuen können) !
    Übrigens hats Du mich angesteckt- ich lese jetzt auch die bretonischen Krimis- genial!
    Alles Gute aus der Hansestadt!

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