088 Die Glocken von Haapsalu (Pausentag)

Mein wahrscheinlich letzter Pausentag vor Tallinn. Ich habe knapp 1900km und noch 6 Tage Zeit. Da mache ich noch eine schöne Rundtour über die Dörfer des Nordwestens von Estland – entlang der Küste. Heute plane ich die Stationen und mache die Quartiere.

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Dann geht es in die Hauptattraktion der Stadt, der Erzbischöflichen Burg. Sie spielte vom 13.Jhd. bis ins 17.Jhd. eine sehr wichtige Rolle: Parallel zu den weltlichen Regierungsstrukturen des Römischen Reiches baute die Kirche ausgehend vom Heiligen Stuhl ihrerseits Strukturen auf. Die Erzbistümer konkurierten stark untereinander. Nach Dorpat (Tartu) war das hier (Wiek und Ösel) das zweitwichtigste in Livland. Nach der Abtretung an die Schwedische Krone nahm die Bedeutung stark ab (hoffentlich stimmt das jetzt so). Entsprechend mächtig wurde es gebaut.

Die Geschichten im Mittelalter sind oft sehr sehr grausam. Zum Beispiel die von der weißen Lady. Sie hatte sich in einen Kanonier verliebt, durfte aber die Burg nicht betreten. Sie verkleidete sich als Mann, aber das flog eines Tages auf. Sie wurde lebendig eingemauert und ihr Wehklagen war lange Zeit zu hören, eigentlich bis heute. Eines der drei gleichen Fenster  der Kirche leuchtet in Mondnächten besonders hell, undzwar in Form der weißen Lady. Ob das jetzt Einbildung ist oder ob beim Umbau der Fenster tatsachlich irgend etwas mit dem Glas zu ihrem Gedenken gemacht wurde, was diesen Effekt auslöst, blieb ungeklärt.

Die spannenden Ecken der Burg kann nur sehen, wer Eintritt bezahlt. Für mich befremdlich, daß auch die Kirche – immerhin der Dom von Hapsalu – nur zu betreten ist über den Museumseingang, also mit Eintritt.

Ansonsten sind die vielen Gewölbe nicht alle beleuchtet und man kann da unbedarft drin herumtapsen. Ich habe die Uhrzeit im Blick, nicht daß ich wieder eingeschlossen werde, wie im Turm der Livonischen Burg in Ventspils. Das wäre hier unten nicht halb so komfortabel wie damals, als ich mich zudem ja durch heftiges Klopfen noch retten konnte.

IMG_20170726_160641Der Burgtum ist seit 1689 auch Glockenturm. In den endvierziger Jahren warfen die Sowjets die beiden 1688 gegossenen Glocken zur Matrialverwertung vom Turm! Dabei waren diese aus bei einem Brand der Burg zuvor geschmolzenen Glocken gegossen worden, also aus sehr alter Bronze. Eine der beiden Glocken wurde gerettet, hat aber zig abgeplatzte kleinere Stellen am Rand. Sie wurde dann später wieder aufgehängt, heutzutage wird sie nicht mehr geläutet. Der Klöppel ist ausgebaut. Man kann gut die Inschriften lesen, die auch auf der Infotafel erklärt werden.

Im Obergeschoß des Turms hängen die neuzeitlichen Glocken: Zwei von 2008 – gegossen in Deutschland, die auch für den Stundenschlag genommen werden. Ehrlich gesagt, die kleine klingt ganz gut, die große hat einen ziemlich störenden Nebenton. Sie ist auch nicht besonders liebevoll beschriftet und schon die Struktur der Oberfläche ist nicht besonders homogen, wer weiß, ob sie Lunker hat. Innen sind die Flächen mehreren Kegelschnitten statt einer gerundeten Rippe entsprungen, das ist dann auch oft ungünstig. Ich kann das Wappen der Gießerei nicht erkennen. Sie sind vorbildlich aufgehängt und gut gewartet.

Die dritte neue Glocke oben stammt aus einer Gießerei in Finnland. Sie ist schlicht, unkonventionell beschriftet (Schrift läuft nicht um sondern ist an einer Grundlinie nach unten gebogen, wie bei einer Schiffsglocke). Sie hat einen stark abgekanteten inneren Wolm, auf den genau der Klöppel schlägt. Das ist nicht so günstig, das Leder ist etwas zu lang. Na, inzwischen hat sie sich 20 Jahre eingeläutet und eine kleine Abnutzung an der Schlagstelle gebildet, das ist ganz gut. Wie sie klingt, konnte ich nicht hören, denn sie ist nicht in den Uhrschlag eingebunden. Auf jeden Fall werde ich recherchieren, ob diese finnische Gießerei auch Glocken repariert und andernfalls ein Angebot für den Neuguß der Klosterglocken in Kaali auf Saaremaa macht.

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Vom Glockenturm hat man einen tollen Blick über die Stadt und sieht, wie sie vom Wasser umgeben ist.

Im Burghof wird am Wochenende ein Rockfestival gefeiert. Die Rookies bauen die Bühnen auf. Nun denn, mit Suzie Quadro und Bonnie Tyler kann ja nichts schief gehen…

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