Der frühe Vogel fängt den Wurm. Ich hatte keine Lust, nochmal auf meinen Vermieter im abgerockten Hotel in Tallinn zu treffen. Außerdem war trotz einiger Recherchen nicht ganz klar, wo in der Nähe der Bus zum Hafen fährt. Und weil ich es gewohnt bin, würde ich notfalls dortin laufen. So kam es dann auch, denn ich verpaßte knapp den Bus. Ist auch alles nicht weit in Tallinn: Innenstadt Hafen: 2km, Innenstadt Flughafen: 4km.
———————————————————————————————————
ACHTUNG: Nur kurz Werbung für mein Buch: Wer sich und seinen Lauf- und Reise- oder Abenteuerfreunden etwas gutes tun will, holt sich hier das Buch, eBook oder Audiobuch ‚Abenteuer Baltikum‘ – auch auf englisch erhältlich ‚Baltic Adventure‘ http://ampelpublishing.de

Das Fährterminal war noch nicht so voll und so kam ich mit Ticketkauf, Fotos machen, Sicherheitskontrolle und Boarding schlank durch.
Die Fähre ist groß wie ein Kreuzfahrtschiff.
Kostenpunkt 24€. Mein Wagen scheint gerade noch so durchzugehen als Koffer mit Rädern. Dabei kommt mir zugute, das andere mit einer Art Sackkarre palettenweise Büchsenbier transportieren und offenbar genauso wenig Probleme haben. Ich baue auf dem Schiff den Wagen auseinander und verklappe ihn und die Tasche im erstbesten Schließfach – 4€.
Das ist ganz geschickt, so kann ich in Ruhe durchs Schiff streifen. Es gibt eine große Bar mit – leider ziemlich nerviger – lauter Musik. Modern Talking auf finnisch oder estnisch. Die Leute lieben es und wippen mit. Mir gegenüber quetscht sich ein mit sich selbst sprechender großer Mann an den Tisch, packt seine Wurtsuppe aus und schlürft, schmatzt, rülpst und furzt wie es eher in Mittelalter noch üblich war. Was es damals noch nicht gab: Laut auf russisch telefonieren. Ich dachte ich bin tolerant, räume aber hier das Feld, denn er schmatzt weiter, obwohl seine Suppe längst leer ist.
Draußen auf dem obersten Deck 9 herrschen Regen und Wind, das Schiff rollt sogar leicht. So kommt maritimes Feeling auf. Uns entgegen kommt ein Schiff der Konkurrenz TALLINK, die sind 20 Minuten schneller, kosten aber auch mehr.
Fahrzeit 2:15h. Die ersten Inseln vor Helsinki kommen in Sicht und vorübergehend kommt die Sonne durch.
Ich freue mich schon und befrage die Familie mit dem Nachbarschließfach nach den Mustsee’s in der Stadt. Wir legen am Westhafen an Väästra. Mehrere Kreuzfahrtschiffe und Fähren liegen hochhaushoch an den Kaianlagen.
An der nagelneuen Straßenbahn an einem nagelneuen Fähranleger kaufe ich am Automaten direkt ein Wochenticket für die Region zum Preis einer Monatskarte: 56€ Damit komme ich auch bis zum Flughafen zu meinem Hostel. Umsteigen am Hauptbahnhof: Rautatieaseama Järnvägsstatsion – na, das ist doch ganz einfach.
Die finnischen Worte sind ähnlich wie estnisch nur noch etwas länger. Was hier aber hilft, ist die konsequente Beschriftung in zwei Sprachen, denn es gibt ja eine starke schwedische Minderheit in Finnland. Beispiel: Lentoaseama. Hm, was könnte das sein? Klärt sich auf durch Flygplatsen, damit kann man schon was anfangen, Flughafen halt. Auch diese Bahn dorthin ist super modern, auch der Flughafenbahnhof – alles neu.
Der Zug fährt 22 Minuten und es ist natürlich eine sehr gute Anbindung an die Innenstadt. So ist meine Überlegung auch aufgegangen: Hotel statt 1000€ für 8 Tage nur 352€, dazu die Wochenkarte für den Nahverkehr von 56€, die ich vielleicht ja auch so gebraucht hätte. Mein Hostel ist einfach und gut. Ich habe schon schlechter gewohnt in den letzten drei Monaten.