083 Poama – Köpu – Poama (Hiiumaa)

Heute wollte ich einen Pausentag machen, aber so ganz ohne Aktivität ist es in diesem langweiligen Tourismushof auch blöd.  Ich bräuchte auch mehr Lebensmittel, wenn ich hier noch länger bleiben wollte. In der Nähe ist der Leuchtturm von Köpi, die wichtigste Attraktion der Insel Hiiumaa.

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Mein Vermieter hat mich für die zweite Nacht umquartiert vom feudalen Jagdhaus in eine kleine nagalneue Holzhütte, in der einem vor lauter Harzdämpfen die Augen tränen. Zudem fing er an, ausverschämt zu werden und wollte dann auch noch 35 statt 25€ für die Nacht. Eine kleine Dose Bier hat er mir für 2€ verkauft, da konnte ich mir ausmalen, wie er weitermachen würde. Ich lieh mir eines von seinen schrottigen Fahrrädern und wollte durch den Wald nach Köpi fahren.

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Für einen, der die ganze Zeit nur läuft, kann es schon mal zu einem Geschwindigkeitsrausch kommen, auch wenn es nur 18kmh sind. Es machte richtig Laune, ohne Gepäck die Schotterwege lang zu heizen. Der Sattel ist viel zu tief und läßt sich nicht verstellen, sodaß die Oberschenkel schnell müde wurden. So hielt ich mal an und sah die jetzt endlich reifen Blaubeeren. Welch ein Reichtum, und keiner in der Nähe, der sie ernten will. Auch kein Bär, denn auf Saaremaa und Hiiumaa gibt es keine Bären.

Der Leuchtturm von Köpi von 1513 ist wirklich beeindruckend mächtig. Es ist der älteste Leuchtturm der Welt, der seitdem durchgehend in Betrieb ist. Das bringt auch einen Nachteil mit sich, den ich selten hatte: Touristenmassen. Ich mußte anstehen, um in den Turm zu kommen – ein völlig neues Gefühl.

Oben hat man einen fantastischen Rundblick über die Nordwestspitze von Hiiumaa – von 3 Seiten Meer, wenn auch 3km entfernt. Ansonsten nur Wald.

Ich hatte gehofft,  daß ich hier noch was einkaufen kann, aber es gibt auch hier keinen Laden, erst wieder in Körgessaare, 24km entfernt. Aber immerhin ein Restaurant. Ich aß drei Gerichte, Spaghetti, Pfannkuchen und 2 Stück Kuchen + Cola + Kaffee und war fürs erste zufrieden.

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Ich traf Sergej mit seiner Familie aus Tallinn, die wohnen auch in meinem Pauka Puhkekeskus. Sie setzten sich zu mir. Er bot an, mir Lebensmittell aus Körgessaare mitzubringen, ich soll ihm alles aufschreiben. Das war natürlich super! 2x Pelmeni, 2x Passata die Pommodoro, Kaffe, Nutella und 2 Bier. So konnte ich in Ruhe zurück radeln, dachte ich da noch.

Sergej arbeitet in der Bauleitung der katholischen Peter Paul Kirche von Tallinn. Er hat auch einen Dienstleister für die Glocken, der kann auch englisch und der weiß dann sicher, welche Glockengießerei und welche Reparaturbetriebe es in Estland gibt. Im Internet finde ich das nicht heraus. Ich denke dabei immer noch an das orthodoxe Kloster in Kaali auf Saaremaa, denen ich bei ihren Glockenproblemen helfen will. Mal schauen, ich treffe Sergej, wenn ich ab 3. August in Tallinn bin.

Dann brach ich auf zur Rückfahrt und mein Abenteuer des Tages begann: Ich will oft einen anderen Weg zurück nehmen als auf der Hinfahrt, und soo doll war der Weg vorher auch nicht. So fahre ich die Straße lang auf meinem viel zu niedrigen Sattel und habe auch noch mal an einem Aussichtspunkt. Hier gibt es eine kleine Möglichkeit für Sportspaß: Im Sprint die Treppen hoch. Der Wald ist wirklich toll.

Was mich dann reitet, zwei Kilometer später statt geradeaus nach links in den Waldweg abzubiegen, weiß ich nicht. Der Weg sieht hervorragend aus und Luftlinie sind es nur 1-2 Kilometer bis auf den Hinweg, da ist es nicht weit bis Pauka , dem Hof wo ich wohne. Der Weg führt genau in meine Himmelsrichtung, wird aber langsam schmaler und schlechter. Es kommen ein paar Löcher, die mit Ästen aufgefüllt sind. Na, da kann ich ja kurz absteigen. … Um es abzukürzen: Was ich dann in Sumpf und Urwald erlebt habe, spottet jeder Beschreibung. Ohne dramatisch werden zu wollen: Die Massen an Insekten, die ich von meinen Armen streife, wenn ich kurz anhalte um mich zu orientieren, stellt alles bisherige in den Schatten. Das Fahrrad trage ich die meiste Zeit über alte Baumstämme und Büsche hinweg. Für den einen Kilometer brauche ich anderthalb Stunden, bin völlig zerkratzt und zerstochen. Seit meinem Sumpfabenteuer an der Lettischen Grenze kann mich nichts mehr so schnell schocken. Dies hier ist aber noch schwieriger und härter. Nur diesmal ist es meine eigene Dummheit, der Einladung eines schönen Weges zu folgen, der nicht in meinem GPS verzeichnet ist. Das sollte ich eigentlich wissen.

Zurück aus dem Dschungel sitze ich in der Sauna und alles ist halb so schlimm. Die Arme, Beine und Füße brennen noch eine Weile wegen der vielen Schrammen und Stiche, aber alles ist gut. Und ich koche nun meine Pelmeni und sehe mir  wie  die Gruppen von Jugendlichen die kurze und intensive Saison feiern.

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