Männer haben ja so ihre eigenen Themen betreffs Selbstdarstellung, zumindest ich und bin damit nicht allein. Aber dazu gleich. Ich wollte heute jubeln über 2000 km in drei Monaten und einem Tag entlang der Ostsee, aber auch dafür ist es noch zu früh: es sind nur 1997. Na, dann machen wir das morgen. Erstmal gab es Frühstück, undzwar nicht irgendwas, sondern reichlich: Die Wirtin des Kallaste Talu kam im Morgenkleid in den rustikal-gemütlichen Frühstücksraum reingeschlurft, aber das täuschte. Sie hatte schon drei riesige Töpfe mit je einem Huhn drin auf dem Holzherd stehen und auch sonst allerlei Gemüse angearbeitet. Heute gibt’s hier ein Konzert, da kommen ca. 60 Besucher, so kriegt sie ihre Hütte in der Saison ein paar mal richtig voll. Und die essen u.a. ihre Suppe. Mich bewirtet sie mit Pfannkuchen, rohem Gemüse, Eiern und Käse. Sogar Vollkornmüsli hat sie und den unvermeidlichen Porridge. Sie hat auch noch Zeit zum Plaudern und als ich ihr meine vagen Pläne vom nächsten Ziel Keila nenne, holt sie ihren Laptop und sucht mir eine Unterkunft im Schwimmbad (jawohl!), ruft dort an und macht das klar. Man könnte sagen, sie hat unendlich viel Arbeit, geht die Sache aber entspannt an. Da kann ich noch was lernen.
———————————————————————————————————
ACHTUNG: Nur kurz Werbung für mein Buch: Wer sich und seinen Lauf- und Reise- oder Abenteuerfreunden etwas gutes tun will, holt sich hier das Buch, eBook oder Audiobuch ‚Abenteuer Baltikum‘ – auch auf englisch erhältlich ‚Baltic Adventure‘ http://ampelpublishing.de

Vor der Abreise sehe ich noch den Sprinter von Michael und Janin aus Thüringen auf der Wiese stehen. Wir saßen gestern abend lange zusammen und verabschiedeten uns nun herzlich. Gute Fahrt!
Ich trabte los und knipste schnell noch ein pikobello herausgeputztes Schloss das an der Straße steht.
Aus meinem Tagtraum werde ich geweckt durch tief fliegende Jagdflugzeuge. Die sind hier stationiert. Auch so ein richtiges Männerspielzeug. Es ist aussichtslos aber ich mache Fotos.

Mein Zielort Keila ist zwar eine etwas größere Ortschaft aber völlig unspannend. Gut, daß ich mein Quartier schon habe. Am Bahnhof, dem zentralen Platz, wird heftig gebaut und alles renoviert. Ich gehe in das Café „Kegel“ (so hieß Keila vor hundert Jahren mal) und hole mir die nächsten 1000 Kalorien: Zwei Stück Kuchen und nach und nach drei Kakao. Dann Einkauf, dann auf ins Schwimmbad.
Leider hat das eigentliche Schwimmbad geschlossen. Das wäre auch was für mich gewesen. Aber im Preis mit drin ist die Sauna. Die Chefin am Counter zeigt mir mein Zimmer und auch den Zugang zur Sauna im Untergeschoss . Dabei grinst sie so komisch und sagt, ich solle es genießen. Nach dem Duschen gehe ich also dort rein in die Männerumkleide, vorbei an einem Fitness-Studio. Da pumpen sich die Herren auf.

Aus der Sauna kommt gerade einer heraus als ich reingehe und ich habe sie für mich. Das ist gut. Ich finde es sehr heiß aber eine Weile werde ich es schon aushalten, bin ja kein Weichei. Nach einer Minute kommt der erste, naß geduscht ohne Handtuch und setzt sich auf die Bank gegenüber. Ich kenne es nur so, daß man jeglichen Kontakt mit dem Holz durch Handtuchauflegen vermeidet und selbst die Tropfen immer schön aufs Handtuch kommen. Nun wundert es mich auch nicht, daß sie für alles immer nur ein Handtuch brauchen. Ich brauche drei. Er greift nach dem Wasserpott und ich hoffe kurz, daß da nur wenig drin ist – zu spät. Er kellt fleißig Wasser auf die heißen Steine und mich trifft eine heftige Dampfdusche. Ich denke, die Haut pellt sich gleich ab. Beginnend an den Ohrlöffeln über den Nacken und Schultern, dann die Handflächen und Füße fühlt sich das schmerzvoll verbrüht an. Aber ich überstehe es und dann ist es ja auch gut. Nach einer Minute kellt er schon wieder! Oh my good. Ich überstehe auch das und habe erste Fluchtgedanken. Das also verstehen die Esten unter Sauna; nicht zwanzig Minuten bei 75-80 grad sondern richtig heiß und richtig Dampf! Das ist eine ganz neue Erfahrung und ich hoffe, daß mein Bodybuilder gegenüber selbst auch Erosionserscheinungen hat. Vielleicht bleibt er nicht lange, dann könnte ich nach ihm gehen. So wäre mein Ego befriedigt. Es kommen aber zwei weitere geduschte Kerle ohne Handtuch und flegeln sich auf die oberste Bank. Der Meister kompensiert den Hitzeverlust sofort durch schöpfen. Ich plane meinen Abgang und dann raus. Nach dreieinhalb Minuten! Mehr ging nicht. Er holt direkt hinter mir neues Wasser und dann machen es die drei sich dadrin richtig gemütlich!
Jetzt verstehe ich auch, warum sie danach eiskalt duschen. Ich mache das auch, um Folgeschäden zu verhindern. Dann setzte ich mich erschöpft und aus allen Poren triefend vor meinen Umkleidespind und warte ab. Ich will jetzt nicht schon nach 5 Minuten oben am Counter vorbei laufen, dann sähe es so aus, als würde ich die Sauna nicht vertragen. Dazu muß ich sagen, daß die Frau dort eine – sagen wir es so – kaukasische Fitnessqueen zu sein scheint. Das macht es mir nochmal schwerer. Vielleicht kommen ja die anderen aus der Sauna und ich könnte in Ruhe einen zweiten Versuch starten. Ich höre sie unendlich lange duschen und dann gehe ich nochmal rein. Tatsächlich, alles leer. Ich kann aber nur 5 Minuten, der Körper erinnert sich sofort an das Trauma von eben. Immerhin, so ganz ewig waren die Fitnessburschen da auch nicht drin. Das ist für mich jetzt nochmal wichtig.
Das Zimmer ist klein und es gibt keine Kochgelegenheit. Gut, daß ich meinen eigenen Kocher dabei habe. Ich muß nur aufpassen, daß ich den Feuermelder an der Decke nicht zu sehr reize, deshalb verlege ich den Kochplatz auf die Fensterbank. So ist es gut.

Unterkunft Keila Tervisekeskus : http://tervisekeskus.eu/1125
Das Foto vom Navi habe ich vergessen, deshalb heute nur manuelle Angabe:
1.8.2017 20km, 1:55h
Und schon gestern wurde ja der Laufmonat Juli beendet, hier noch die Tabelle.
